Tag des Ostseeschweinswals am 15. Mai 2016

Zwei Pressemittelungen zum Tag des Ostseeschweinswals am 15. Mai 2016 der Deutschen Umwelthilfe und des NABU.


Bund und Länder versagen beim Schutz der letzten Ostseeschweinswale - Meeresschutzgebiete existieren nur auf dem Papier, kritisieren Naturschutzorganisationen zum Tag des Ostseeschweinswals am 15. Mai. 

Jedes Jahr ruft das von Deutschland unterzeichnete Kleinwalschutzabkommen ASCOBANS zum Tag des Ostseeschweinswals auf, um auf seine Bedrohung aufmerksam zu machen.

Berlin/Hamburg: Acht deutsche Umweltverbände fordern die Bundesregierung und die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein auf, endlich die letzten Ostseeschweinswale zu schützen, um das Aussterben des einzigen deutschen Ostseewals zu verhindern. Die Population in der zentralen Ostsee ist auf maximal 450 Tiere zusammengeschrumpft und gilt als stark vom Aussterben bedroht

„Der Schweinswal-Bestand der zentralen Ostsee wird nicht mehr zu retten sein, wenn Bund und Ostsee-Küstenländer nicht entschlossen handeln“, kritisieren die Verbände. Ausgerechnet die schutzbedürftige Walpopulation in der Ostsee wird besonders vernachlässigt. So bezieht sich das sog. Schallschutzkonzept des Bundesumweltministeriums (BMUB) zum Schutz von Schweinswalen bei der Errichtung von Offshore-Windkraft-Anlagen nur auf die Nordsee. Im Interesse eines effektiven Schutzes der Tiere muss es vor allem endlich zu einer Einigung zwischen dem BMUB und dem für Fischerei zuständigen Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) kommen, die den Walen wirklich nützt. Denn bisher blockiert vor allem das BMEL die notwendigen Maßnahmen in Schutzgebieten.

„Die Offshore-Meeresschutzgebiete in der Ostsee existieren seit acht Jahren auf dem Papier, aber die Fischerei ist dort in keiner Weise eingeschränkt. Dabei verenden unzählige Tiere als ungewollter Beifang in Stellnetzen“, kritisieren die Umweltorganisationen. „Und auch die Küstenländer versagen beim Schutz der Schweinswale.“ Während in Schleswig-Holstein nur freiwillige Vereinbarungen in einer ohnehin schwachen Küstenfischereiverordnung gelten, bleibt Mecklenburg-Vorpommern völlig untätig und versteckt sich hinter dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Zugleich gefährden dort Pläne zur Ausweitung der Offshore-Windkraft in sensiblen Naturräumen im Landesraumentwicklungsprogramm Schweinswale sowie den Vogelzug.

Es entsteht der Eindruck, dass Bund und Länder einen massiven Verstoß gegen ihre Erhaltungspflichten aus EU-Recht und - noch viel schlimmer - das Aussterben der Ostseeschweinswale bewusst in Kauf nehmen. „Obwohl die Bundesregierung das Thema Meeresschutz beim G7 Gipfel auf die Agenda setzt, nimmt sie es offenbar nicht ernst, wenn konkrete Maßnahmen vor der eigenen Haustür gefordert sind“, kritisieren die Meeresschützer.

Ende Januar hatte eine Allianz von Umweltorganisationen Klage gegen den Bund wegen der Nicht-Umsetzung von Fischereiregelungen in den deutschen Meeresschutzgebieten eingereicht. Und gerade erst Mitte April hat diese Allianz den unzureichenden Entwurf des deutschen Maßnahmenprogramms der Europäischen Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) durch die Bundesregierung massiv kritisiert. „Insbesondere fehlen nutzungsfreie Zonen in den Schutzgebieten, die bedrohten Arten wie dem Schweinswal als echte Refugien dienen“, fordern die Verbände und verweisen auf eine Vielzahl weiterer, dringend notwendiger Vorschläge zum Meeresschutz.

Die sog. Schattenliste der Umweltverbände skizziert die drängendsten Herausforderungen zum Schutz der deutschen Nord- und Ostsee und steht zum Download bereit. Das Maßnahmenprogramm der Bundesregierung steht für die öffentliche Beteiligung offen. Die Unterlagen können unter www.meeresschutz.info heruntergeladen werden.

Hintergrund

Der Schweinswal (Phocoena phocoena), ein Verwandter der Delfine, ist die einzige in Deutschland heimische Walart und steht unter dem strengen Schutz der Habitat-Richtlinie der EU. Sein Vorkommen ist einer der Gründe für die Ausweisung von Schutzgebieten in Nord- und Ostsee. Viele tot angeschwemmte Tiere sind in Folge menschlicher Aktivitäten gestorben. Zu den häufig festgestellten Todesursachen zählen Stellnetze, in denen die Tiere verenden, sowie massive Gehörschädigungen in Folge von Rammschall, der durch den Bau von Offshore-Windkraftanlagen, die Sprengung von Alt-Munition oder seismische Untersuchungen mit Schallkanonen sowie militärisches Sonar entsteht.

Deutsche Umwelthilfe


Die Ostseeschweinswale brauchen besseren Schutz - Meeresschutzgebiete existieren bisher nur auf dem Papier

Jedes Jahr im Mai ruft das von Deutschland unterzeichnete Kleinwalschutzabkommen ASCOBANS zum Tag des Ostseeschweinswals auf, um auf seine Bedrohung aufmerksam zu machen. Zum Tag des Ostseeschweinswals (15. Mai) fordert der NABU die Politik auf, endlich zu handeln. Nicht einmal in den für sie ausgewiesenen Schutzgebieten ist Deutschlands einzige Walart sicher.

Überfischt, zu laut, zu schmutzig - die letzten Schweinswale in der zentralen Ostsee haben es zunehmend schwer. Nicht einmal in den für sie ausgewiesenen Schutzgebieten ist Deutschlands einziger heimischer Wal sicher. Auch dort wird gefischt, fahren Tausende Schiffe, finden Rohstoffabbau oder Unterwassersprengungen statt. Deutschlands Meeresschutzgebiete des Natura-2000-Netzwerks existieren leider nur auf dem Papier.

Population der zentralen Ostsee vom Aussterben bedroht

Knapp 450 Schweinswale gibt es heute noch in der zentralen Ostsee, dem Seegebiet östliche der Halbinsel Darß. Ihre Population ist vom Aussterben bedroht. Insbesondere die zu hohen Beifänge in Stellnetzen, zunehmende Lebensraumverluste und immer stärker auch der steigende Unterwasserlärm verhindern eine Erholung der einst reichen Bestände. Etwas besser sieht es in der westlichen Ostsee aus, hier leben noch einige Tausend der kleinen Zahnwale. Aber auch hier sind sie bedroht. Die Industrialisierung der Nord- und Ostsee schreitet unaufhaltsam voran.

Dabei sollte es längst anders sein. Bereits im Jahr 2004 hat Deutschland weite Flächen seiner Nord- und Ostseegewässer, insgesamt 47 Prozent, als Schutzgebiete nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) ausgewiesen. Gemeinsam mit den Schutzgebieten der EU-Vogelschutzrichtlinie bilden sie das Netzwerk Natura 2000. Die Verbreitung der Schweinswale war neben dem Vorkommen der Lebensraumtypen Riffe und Sandbänke ausschlaggebend für die Gebietsausweisung.

Schutzgebietsverordnungen unzureichend

Erst jetzt, nach elf Jahren sollen in der Ostsee der Fehmarnbelt, die Kadetrinne und die Pommersche Bucht zu Naturschutzgebieten nach Bundesnaturschutzgesetz werden. Im Februar veröffentlichte die Bundesregierung die inzwischen von der Europäischen Kommission angemahnten Schutzgebietsverordnungen. „So lange haben wir auf einen wirklichen Schutz von Schweinswalen und Seehunden, von artenreichen Riffen und Sandbänken gehofft. Doch die jetzigen Entwürfe zementieren die Übernutzung der Meere“, meint NABU-Meeresexperte Kim Detloff. „Wieder einmal gefährden wirtschaftliche Interessen die Artenvielfalt in Nord- und Ostsee“.

Versagen vor der eigenen Haustür

Der Bund, aber auch die Küstenländer ignorieren nach Ansicht des NABU die nach EU-Recht geltenden Schutz- und Erhaltungsverpflichtungen und nehmen das Aussterben der Ostseeschweinswale bewusst in Kauf. Während die Bundesregierung den Meeresschutz auf die internationale Agenda des G7 Gipfels hob oder die EU-Umweltrichtlinien beim sogenannten Fitnesscheck der Europäischen Kommission verteidigte, so versagt sie, wenn es um konkrete Maßnahmen vor der eigenen Haustür geht. Hier setzen sich wieder die Interessen der Wirtschafts-, Fischerei- und Verkehrsressorts gegen die Position des Bundesumweltministeriums durch. Offensichtlicher Verlierer ist der Ostseeschweinswal. So gibt es ein Schallschutzkonzept beim Bau von Windanlagen für die Nordsee, nicht für die Ostsee. Oder es werden Fischereimaßnahmen für die Nordsee entwickelt, aber nicht für die Ostsee. Das Agieren von Bund und Ländern ist nach Meinung des NABU gleichermaßen unzureichend wie gefährlich. Hier wird Klientel- und Wirtschaftspolitik auf Kosten des Meeresschutzes gemacht. Das muss ein Ende haben. Sonst dauert es nicht mehr lange, und wir verlieren auch noch die letzten unserer Ostseeschweinswale.

NABU

Internationaler Tag des Ostseeschweinswals (NABU)